Lichtfeldfotografie

Stereofotografie an lebenden Tieren: Erste Erfahrungen mit der Lytro-Lichtfeldkamera

Stereofotografie ermöglicht eine informative und zugleich unterhaltsame Darstellung von räumlichen Objekten. Im einfachsten Falle macht man hierzu vom selben Objekt zwei Aufnahmen in unterschiedlichen Winkeln. Dies kann ohne weiteres aus der freien Hand erfolgen und trotzdem brauchbare Ergebnisse erzielen (Beispiel in Vorbereitung auf unserer Webseite, Beispiele mit Stativen in HaugC et al. 2013). Eine etwas komplexere Möglichkeit ist die Stereodarstellung von virtuellen Oberflächenrekonstruktionen basierend auf Bildstapeln, wobei sich die einzelnen Bilder in der Fokusebene unterscheiden (Beispiel in HaugC et al. 2013). Für die Aufnahme eines solchen Bildstapels bedarf es jedoch eines aufwändigeren Aufbaus, welcher es erlaubt die Fokusebene um eine gleichbleibende Distanz zu verändern.

 

Beide Verfahren können somit problemlos für unbewegte Objekte angewendet werden. Hat man jedoch bewegte Objekte, ergibt sich ein ernstes Problem. Bis man nämlich zur nächsten Aufnahme kommt, hat sich das Objekt bereits weiterbewegt. Will man etwa lebende Tiere fotografieren, so kann man Glück haben und das Tier bewegt sich solange nicht, bis man sein zweites Teilbild aufgenommen hat; das Aufnehmen eines Bildstapels scheint praktisch unmöglich.

 

Man kann das Problem mit technischer Ausrüstung lösen. Stereovorsätze oder das Verwenden von zwei gekoppelten Kameras erlauben es mit einem „Shot" zwei Stereohalbbilder aufzunehmen. Neuere Technik erlaubt es nun auch einen (Quasi-)Bildstapel mit einem einzigen Shot zu dokumentieren.

Abbildung 1: Sibirischer Uhu. Links oben: Rot-Cyan-Stereobild (Bitte verwenden Sie eine Rot-Cyan-Brille). Links unten: Durchgängig scharfes Bild (mehr oder weniger). Einige Bereiche des Zaunes sind nicht korrekt dargestellt. Mitte oben: Vorderste Fokusebene, der Zaun. Rechts oben: Zweitvorderste Fokusebene, das Tier. Mitte unten: Zweithinterste Fokusebene, der Baum. Rechts unten: Hinterste Fokusebene, der Hintergrund. Motiv: Münchner Tierpark Hellabrunn.


Uhu Rocking Image

Das Prinzip dahinter heißt Lichtfeldfotografie. Die wissenschaftlichen Grundlagen sind relativ komplex. Praktisch ermöglicht Lichtfeldfotografie das nachträgliche Fokussieren auf dem Bild. Damit hat man eben auch die Möglichkeit dieses Bild wie einen Bildstapel zu verwenden und daraus Stereobilder (aufgrund der kräftigen Farbe mancher Objekte sind diese z.T. nur in Graustufen darstellbar, da sonst Artefakte auftreten) oder sogenannte „Rocking Images", also Wackelbilder, zu extrahieren (Beispiel für Wackelbilder sind in der Online-Version dieses Artikels zu finden).

Abbildung 2: Polarfuchs. Links oben: Rot-Cyan-Stereobild (Bitte verwenden Sie eine Rot-Cyan-Brille). Links unten: Durchgängig scharfes Bild (mehr oder weniger). Einige Bereiche des Zaunes sind nicht korrekt dargestellt, der Zaun selbst bleibt unscharf. Mitte oben: Vorderste Fokusebene, der Zaun. Rechts oben: Mittlere Fokusebene, das Tier. Mitte unten: Hinterste Fokusebene, der Hintergrund. Motiv: Münchner Tierpark Hellabrunn.


Polarfuchs Rocking Image

Abbildung 3: Waldbisons. Links oben: Rot-Cyan-Stereobild (Bitte verwenden Sie eine Rot-Cyan-Brille). Links unten: Durchgängig scharfes Bild (mehr oder weniger). Der Baum im Vordergrund bleibt etwas unscharf. Mitte oben: Vorderste Fokusebene, der Zaun. Rechts oben: Mittlere Fokusebene, das Tier. Mitte unten: Hinterste Fokusebene, der Hintergrund. Motiv: Münchner Tierpark Hellabrunn.


Waldbison Rocking Image

Abbildung 4: Fischkatze. Links oben: Rot-Cyan-Stereobild (Bitte verwenden Sie eine Rot-Cyan-Brille). Links unten: Durchgängig scharfes Bild (mehr oder weniger). Das Seil im Vordergrund hat einen leichten Halo. Mitte oben: Vorderste Fokusebene, das Seil. Rechts oben: Mittlere Fokusebene, das Tier. Mitte unten: Hinterste Fokusebene, der Hintergrund. Motiv: Münchner Tierpark Hellabrunn.


Fischkatze Rocking Image

Wir haben uns während unseres Amerikajahres eine Lytro-Kamera gekauft, eine recht einfach zu bedienende Lichtfeldkamera. Die Bildgröße ist dabei eher klein, der Effekt aber interessant.

 

Im Folgenden stellen wir einige Beispiele vor, bei dem wir Tiere aus dem Münchner Tierpark Hellabrunn mit der Lytro fotografiert haben. Bereits nach wenigen Versuchen mit dieser doch ungewöhnlichen Kamera merkt man, es braucht das richtige Motiv. Das heißt, das Bild braucht Tiefe, sonst kommt der Effekt nicht wirklich zum Tragen.

 

Tiere im Zoo bieten sich geradezu für räumliche Fotografie an. Im einfachsten Fall kann man sie durch ihre Gitter fotografieren. Dadurch hat man sofort Strukturen in deutlich unterschiedlichen Fokusbenen. Leider werden die Gitter in der Praxis nicht immer völlig scharf. Die Lytrosoftware ermöglicht es (wie bereits erwähnt) den Fokus im Bild nachträglich zu verschieben. Doch auch wenn die Gitter im Einzelbild mehr oder weniger scharf sind, so ist im durchgängig scharfen Bild das Gitter zumeist nicht vollständig gut erkennbar (Abb. 1). Manchmal ist jedoch nicht einmal im Einzelbild der Zaun wirklich scharf zu bekommen und bleibt somit auch im zusammengerechneten Bild unscharf (Abb. 2).

Abbildung 5: Wolf. Links oben: Rot-Cyan-Stereobild (Bitte verwenden Sie eine Rot-Cyan-Brille). Links unten: Durchgängig scharfes Bild. Mitte oben: Vorderste Fokusebene, der Baum. Rechts oben: Zweitvorderste Fokusebene, der Boden im Vordergrund. Mitte unten: Zweithinterste Fokusebene, das Tier. Rechts unten: Hinterste Fokusebene, der Hintergrund. Motiv: Münchner Tierpark Hellabrunn.


Wolf Rocking Image

Auch Gehege ohne Zäune bieten interessante Möglichkeiten für die Erzeugung von Tiefe. Als weitere Möglichkeit neben den Gittern und Zäunen können etwa eine Baum, einzelne Äste oder Sträucher zusätzliche Tiefe ins Bild bringen (Abb. 3). Im Falle von Innengehegen mit Glasscheiben kann man zum selben Zwecke hängende Strukturen wie etwa Seile nutzen (Abb. 4). Manche Gehege sind auch so voll von Strukturen, dass man ohne weiteres Tiefe erzeugen kann. Als Beispiel soll hier ein Wolf dienen, der weit hinten im Gehege liegt, sodass mehrere Ebenen Bäume und Bodenwellen vor dem Tier den notwendigen Tiefeneindruck vermitteln (Abb. 5). Man kann auch das Glück haben, dass sich ausreichend viele Tiere gestaffelt aufstellen, so wie uns das die Pinguine gezeigt haben (Abb. 6).

 

Wie schneidet die neue Kamera nun denn in der Praxis ab? Zunächst, was bereits viele Tester festgestellt haben, die Bilder sind recht klein, aber im Vergleich mit anderen Licht-feldkameras ist die Lytro bezahlbar. Die Form der Kamera ist sicher ungewöhnlich, aber die Bedienung ist in der Tat sehr einfach, auch die gelegentlich kritisierte Zoomfunktion.

Abbildung 6: Pinguine. Links oben: Rot-Cyan-Stereobild (Bitte verwenden Sie eine Rot-Cyan-Brille). Links unten: Durchgängig scharfes Bild. Mitte oben: Vorderste Fokusebene, das liegende Tier. Rechts oben: Mittlere Fokusebene, das stehende Tier. Mitte unten: Hinterste Fokusebene, der Hintergrund. Motiv: Münchner Tierpark Hellabrunn.


Pinguin Rocking Image

Softwaremäßig ist sicher noch einiges zu holen. Die „lebenden Bilder", die man entweder im Lytroviewer oder über die Lytrowebsite nutzen kann, sind in der Tat nett, aber kein wirklich nützliches Format. Wie gezeigt werden etwa die „durchgängig" scharfen Bilder auch nicht immer wirklich scharf; wir haben hier schon experimentiert, Einzelebenen exportiert und diese mit einer „herkömmlichen" Stackingsoftware verrechnet, das sieht häufig besser aus; allerdings sind es häufig zu wenige Ebenen (siehe weiter unten). Rocking Images zu erzeugen ist zur Zeit recht umständlich, dazu haben wir 8 bis 10 unterschiedliche „Perspektiven" des Bildes als Screenshots aufgenommen und dann in ImageJ einen Film daraus gemacht. Wie gesagt, etwas umständlich, funktioniert dafür aber gut.

 

Zu guter Letzt noch eine Betrachtung des Tiefeneffektes. Wer sich etwas mit ‚depth from defocus' auskennt, weiß, dass auf Grundlage eines Stapels ein Höhenrelief berechnet wird. Bei der Lytrosoftware scheinen dabei nur wenige Niveaus innerhalb des Höhenreliefs verwendet zu werden. Man kann bei Betrachtung (etwa der Stereobilder) bei sehr hoher Vergrößerung diese einzelnen Niveaus ausmachen. So haben wir etwa beim Mähnenwolf fünf solcher optischen Niveaus ausmachen können, die gestaffelt voreinander stehen und dann beim Perspektivwechsel leicht zueinander verschoben werden (Abb. 7).

 

Dadurch wirken die Tiere zwar als ‚im Hintergrund' oder ‚im Vordergrund' befindlich, bleiben an sich aber flach. Auch scheint es hier zu einigen Artefakten zu kommen: Nicht alle Teile des Mähnenwolfes sind durchgängig auf einem Niveau, Teile des Vorderlaufes liegen weiter hinten. Bei genauem Ansehen der Bilder mit Zaun sieht man, dass es hier zu ähnlichen Effekten kommt.

 

Fazit: Für Tüftler ist das Gerät jetzt schon ein Heidenspaß. Von der Softwareseite her sollte man Nachbessern was die durchgängig scharfen Bilder und die Perspektivenwechsel angeht. Auch die Exportmöglichkeiten sind noch etwas eingeschränkt, eine Funktion zum direkten Erzeugen von Rocking Images wäre sicher nützlich.

Abbildung 7: Mähnenwolf. Links oben: Rot-Cyan-Stereobild (Bitte verwenden Sie eine Rot-Cyan-Brille). Links unten: Durchgängig scharfes Bild (mehr oder weniger), die Äste im Vordergrund sind nicht vollständig scharf. Mitte oben: Tiefenkodiertes Bild. Bei hoher Vergrößerung sieht man fünf abgegrenzte Ebenen, die farblich hervorgehoben sind. Die vorderste ist rot, die hinterste cyan, dazwischenliegende sind farblich dazwischen. Es treten einige Artefakte auf; Teile des Beines liegen z.B. weiter hinten. Rechts oben: Vorderste Fokusebene, die Zweige. Mitte unten: Mittlere Fokusebene, das Tier. Rechts unten: Hinterste Fokusebene, der Hintergrund. Motiv: Münchner Tierpark Hellabrunn.


Mähnenwolf Rocking Image
PDF-Version dieses Artikels
(dann aber leider ohne Wackelbilder)
Lichtfeldfoto_2013_Haug.pdf
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